Grosser Festtag heute Montag, den achtzehnten August: die Schwester des Königs heiratet, es soll ein Prinz aus weiter Ferne sein, schön wie der lichte Tag und reich wie Pluto selbst, denn in seinen Bergen wächst das Gold. Hergereist ist er mit ganzen Ladungen Goldes, seine Reiter starren von Gold, gleich ihren Pferden. Das Gerücht war dem Prinzen weit dort hinten zu Ohren gekommen, daß unsere Prinzessin wohlgestaltet und gelehrt wie keine andere Königstochter ist. Ein berühmter Astrologe hatte sie ihm im Zauberspiegel gezeigt, sie lächelte, sie sprach, und sieh, er konnte nicht widerstehn ihrer Stimme, ihrem Blick: er machte sich auf den weiten Weg.
Man hätte die Fenster nicht schließen und die Läden nicht vorlegen sollen letzte Woche, als der Prinz und sein zahlloses Gefolge in Paris einritten. Wenigstens hätten wir mit Augen gesehn, was wahr ist. Man hört verschiedenes. Überfälle auf anständige Bürger waren kürzlich zu beklagen, einigen sind die Taschen abgeknöpft worden von den Räubern, die Hugenotten heißen. Wir gehn aus Vorsicht nicht mehr auf die Straße, wenn es dunkel wird, man kann nicht wissen. Gegen die Ordnung und das Recht verstößt noch mehreres. Unser König verheiratet heute seine Schwester an den fremden Herrn, der einer der Ketzer und sogar ihr König sein soll. Ist das von Gott erlaubt? Unser Pfarrer speit dagegen Gift und Galle. Aber der Papst hat eingewilligt, wie sie sagen. Ist das möglich? Da stimmt etwas nicht. Die Hugenotten werden unseren König bedroht und gezwungen haben, und das Schreiben des Heiligen Vaters haben sie gefälscht. Ihre List und Gewalttaten sind bekannt. Seit unvordenklichen Zeiten, schon als wir Kinder waren, führen sie Krieg gegen die Katholiken, plündern und brennen im Land, auch den König haben sie bedroht, aber auf einmal ist Hochzeit. Das muß schlecht enden! Es gibt Vorzeichen!
Heute abend mach ich mein Haus noch fester zu. Gestern zur Nacht sollen die Großen im Schloß unseres Königs getafelt und getanzt haben zu Ehren der Verlobung. Man hat den Louvre erleuchtet gesehn wie vom Höllenfeuer selbst. Die Braut aber ist verschwunden, so wird behauptet, wie vom Teufel geholt. Man darf nicht alles glauben. Sie hat weit eher im bischöflichen Palast geschlafen gegenüber der Kathedrale, wo sie heute getraut wird, und soll die Messe hören. Der Hof wird einen nie vorgekommenen Prunk zeigen, und das Brautkleid kostet soviel wie zwei Häuser in Paris. Das muß man gesehn haben. Viel Volk und alle ehrbaren Leute sind unterwegs. Die Sonne scheint. Gehn auch wir!
Dies dachten und sprachen sowohl das Volk wie die ehrbaren Leute, als sie nach verfrühter Mittagsmahlzeit von allen Seiten der Stadt hinstrebten zu der Kirche Notre-Dame. Sie dachten und sprachen nicht etwa der eine ganz entgegengesetzt dem anderen, sondern im Verlauf des Weges sagte jeder alles und widersprach sich einige Male. Das kam aber, daß sie von Neugier und Vorfreude erfüllt waren und das Verschiedenste auf einmal erwarteten: Erbauliches, Schreckliches, Pracht, Unheil. Auf die kommenden Ereignisse übertrug die Menge ihre übliche Unruhe, vor der zwar jeder das eigene Haus bewahrt, aber auf der Straße ergeben sich ihr widerstandslos sowohl Volk als ehrbare Leute.
Erstens verstößt es schon gegen das Gesetz der Menge, wenn sie aufgehalten wird. Von selbst will sie nur immer weiter, was auch daraus wird. Unbesehn stieße sie die festlichen Holzbauten um, auf dem Platz vor der Kathedrale. In Voraussicht dessen ist Schweizer Wache da, mit quergehaltenen Hellebarden drängt sie die Menge zurück in die Mündungen der Straßen. Weder Bitten noch Verwünschungen berühren diese Fremden, weil sie nichts verstehn. Sie sind vierschrötig, werden durch keulenförmige Ärmel noch breiter, und ihre farblosen Barte liegen auf Wämsern, die besonders bunt sind. Sie haben den Tritt von Bären; wer schnell und gewandt ist, kann sie überlisten. Viele kommen denn auch durch, wäre es nur kriechend unter den Schäften der Spieße. Zuletzt wird man immer wieder zurückgejagt, vorher aber sieht man, sperrt die Augen auf, und sofort streitet man, weiß es besser, weiß überhaupt viel und zerreißt sich den Mund.
«Wir von der Innung der Zimmerleute sind natürlich die ersten Unterrichteten. Wir haben vor dem Hauptportal der Kathedrale das große Gerüst erbaut, darauf soll unsere Prinzessin Margot mit dem Herrn König von Navarra öffentlich getraut werden durch den Papst in Person.»
«Nicht der Papst, sondern ein Barfüßer-Mönch, den ich kenne, rühmt sich, daß er sie trauen wird. Er hat alles vorausgesagt. Wenn ich sprechen dürfte!»
«Dasselbe können Sie auch von mir erfahren. Ich prophezeie, daß der König von Navarra ein Hahnrei sein wird. Wie? Das wäre verboten zu sagen? Dann sind Sie selbst der Hahnrei, fragen Sie nur die Leute!»
«Von mir bekommen Sie nicht die Antwort, die Ihnen gebührt, denn ich bin friedfertig — wohl aber von dem hugenottischen Herrn, der neben Ihnen steht. Machen Sie sich auf Prügel gefaßt!»
«Gute Christen! Ihr könnt selbst bemerken, daß es hier, wie überall in Paris, zu viele Ketzer gibt. Sie werden sogar bevorzugt, die Wache läßt sie durch.»
«Denn auch der Bräutigam ist einer von ihnen. Das bedeutet, gute Christen, daß ihr in die Hände der Ungläubigen fallet. Wehe euch!»
«Gute Christen! Die Fremden, die wie ein Schwarm Heuschrecken erschienen sind in Paris, haben schon einige von euch niedergeschlagen, ausgeraubt, geschändet, gebrannt und aufgehängt. Verhindert Schlimmeres und laßt die Heirat nicht zu!»
«Hallo, und wer seid ihr Schwarzgesichter? Versteckt euch nur in den Kapuzen! Spanische Mönche, die uns aufhetzen möchten. Wir sollen wohl die Tribüne stürmen, wenn unser König seine Schwester verheiratet! Das könnte eurem spanischen Philipp allerdings passen. Wo seid ihr denn plötzlich hingeraten? Aha! Erkannt und schon untergetaucht.»
«Trotzdem werden alle die Banditen, die Hugenotten heißen, in der Hölle brennen und sollten es von Rechts wegen sogar schon hier.»
«Trotzdem kommt der Papst in Person und feiert die Trauung: davon laß ich mich nicht abbringen. Haben wir Zimmerleute doch selbst vom Bischofspalast bis zur Kathedrale die Galerie aus Holz gebaut. Wer sollte dort sonst hindurchgehen, da sie dem Hof so teuer zu stehn kommt?»
«Ihr Zimmerleute verdient heute gut.»
«Leider nicht so viel wie die Tuchhändler. Sie haben die Galerie mit weißem Stoff behängt, so daß man unsere schöne Arbeit nicht mehr sieht.»
«Am besten geht es bei dem allem den Wirten.»
«Nein, den Gewandschneidern, wegen der Festkleider für den Hof.»
«Nein, den Mädchen, weil die Fremden zahlreich hergereist sind.»
«Mit den Hugenotten wird man später abrechnen. Augenblicklich bringen sie das Geschäft in Schwung.»
«Weg da! Die reden hier breitspurig vom Geschäft und versperren uns die Aussicht auf die schönen Herren. Sie kommen aus dem Bischofspalast, und es werden immer mehr. Sie haben die Gnade, sich vor unseren Augen durch eine ganze lange Galerie zu bewegen. Man muß von Gnade sprechen, denn so sieht es aus, wie sie schreiten, obwohl kein einziger auch nur zu ahnen scheint, daß er glänzt wie ein Pfau in der Sonne und daß ganz Paris auf ihn aufpaßt. Das ist wirkliche Vornehmheit, von nichts zu wissen. Aber, oh! Aber, ah! Die Damen! Gegen sie werden die Herren grau wie Asche. Jetzt geht erst der Tag auf. Wenn man bedenkt, daß Gewandschneider, Juweliere und Haarmacher das Wunder erzeugt haben! Wir Gewerbetreibende könnten stolz sein.»
Übrigens entging es geübten Zuschauern nicht, daß der Zug, vor der Kathedrale angelangt, sich staute. Genau als wären sie gemeines Volk gewesen, wollten einige der vornehmen Gäste sich vordrängen, um schneller auf das hohe Gerüst und auf die Sitzplätze zu gelangen. Auch Streit brach aus, und die Offiziere der französischen Garde mußten Frieden stiften unter den Großen des Königreichs.
Endlich kam dennoch die angemessene Ordnung zustande. König, Kardinal, Bräutigam und Braut, die Königin, die Prinzen, Prinzessinnen, das Gefolge von Edelleuten und Fräulein sowie die Priester, die den Kardinal umgaben: alle waren untergebracht, jeder nach seinem Rang, und diesen kennzeichneten schon die Farben, in die man gekleidet war.
Auf hohem, offenem Gerüst wurde die Blüte des Königreiches frei dargeboten, bei Sommerlüften, unter weißgesprenkelter Himmelsbläue. Die Blicke der Häuser waren dorthin gewendet in weitem Bogen, lauter geöffnete Fenster mit ausgehängten Teppichen und den geputzten Bewohnern. Drunten längs den Mauern und in den Straßenöffnungen trat Stille ein. Hüte wurden abgenommen, Hände gefaltet und Knie gebeugt. Nah hinter dem Gerüst mit der Blüte des Königreiches verharrte als Denkmal aller Geschlechter, die schon vorübergegangen waren, die Kathedrale. Ihre Glocken entsandten aufwärts Klänge, die der Ewigkeit zugedacht waren. So und nicht anders vollzog der Kardinal von Bourbon die Trauung des Königs von Navarra mit der Prinzessin von Valois.
Als es geschehn war, mußte allerdings vom Gerüst wieder heruntergeklettert werden, und Degen verwickelten sich in Schleppen. Die Zuschauer bemerkten hiervon nichts, da alle Herrschaften sofort in der Kirche verschwanden. Natürlich waren dort schon seit Stunden sämtlich versammelt die Inhaber des Gestühls, ob adlig oder vom reichen beamteten Bürgertum, und von diesen Kennern stand nicht zu erwarten, daß sie sich verblüffen ließen durch einstudierte Haltungen. Sie knieten wohl hin, sobald Karl der Neunte auftauchte, aber das war auch ihre ganze Ehrfurcht: nur um so sicherer entdeckten sie die Fehler.
Der Kardinal von Bourbon war alt geworden; Karl der Neunte sah aus wie ein Fleischer, der sich mit schiefem Blick das Kalb aussucht, um es zu stechen. Seine Gemahlin, Elisabeth von Österreich, hatte sich noch kostbarer gekleidet als die Braut. Weiter konnte sie auch nichts tun, denn sie verstand weder zu gehen noch zu reden — vielleicht spanisch oder deutsch, keinesfalls französisch. Allzu stattlich schon mit zwanzig Jahren, war sie bestimmt, bei intimeren Gelegenheiten einfach fortgelassen zu werden, während sie bei öffentlichen nur als Ausstattungsstück in Frage kam, von Karl übrigens betrogen auf Schritt und Tritt. Soviel über Elisabeth von Österreich. Hauptsächlich die aufmerksamen Frauen trafen diese Feststellungen. Gehen wir zu den Neuvermählten über! Man kann gegen sie nichts sagen, ein hübscher, munterer Junge, fest in den Hüften, breite Schultern für seine Größe, denn trotz hohen Absätzen überragt er kaum die gute Margot — die natürlich vollendet wie immer zurechtgemacht ist.
Die Männer sagten gleichzeitig: Wie Navarra mit ihr vorwärts drängt! Der gebotene Abstand zwischen ihnen und Karl dem Neunten verringert sich in unschicklicher Art. Dieser unkundige Henri kann sein Schicksal nicht erwarten. Außerdem ist er der einzige, der es nicht kennt. Wir alle sind aufgeklärt über seine liebe Frau. Unter dem Überwurf ihres Kleides trägt sie Taschen, und in jeder ist das Herz eines getöteten Liebhabers. An Liebe gestorben, wenn Sie wollen. Doch: es kommt vor, und glauben Sie es nicht, dann glaubt es der nächste. Andererseits, warum sollte sie nicht von ihrer klugen Mutter gelernt haben, Tränke zu mischen? Leiser, bitte! Madame Catherine ist die einzige, die nicht hier ist, aber grade sie hört alles.
Dazwischen wieder die Frauen: Der Herzog von Guise! Also doch zur Hochzeit pünktlich zurück. Dann kann es ja wieder angehn. Aber nein! Wissen Sie denn nicht? Sie ist doch jetzt verschossen in den schönen La Mole. Da kommt er. Der wievielte ist er bei ihr? Den ersten hatte sie mit elf Jahren. Ich halte es immer meinem Mann vor, damit er einsieht, daß es schlimmere gibt als mich.
Die Männer rügten nochmals die Verletzung des gebotenen Abstandes. Navarra wird König und Kardinal noch überrennen, von ihm ist allerhand zu erwarten. Wieviel könnte man ihm eigentlich mit ruhigem Gewissen Geld leihen auf sein mächtiges Königreich? Einen Sack, so hoch wie er selbst! Mein Lieber, Sie sind boshaft. Wenn der Sack nicht höher wäre als der König! Und der ist auch noch Protestant.
Damen vom Hof flüstern in ihrem Gestühl: Hat Haus Frankreich es nötig gehabt, einen Hugenotten herbeizuholen? Urteilen Sie selbst, meine Liebe, ob die Eile, in der es geschah, anständig anmutet — oder auch nur unverdächtig. Die Erlaubnis des Papstes ist auffallend plötzlich eingegangen, nachdem man vorher immer gehört hatte, Seine Heiligkeit verbiete die Heirat. Wenn Sie es durchaus wollen, vertraue ich Ihnen an, daß niemand das päpstliche Breve mit Augen erblickt hat. Nur ein Brief des Botschafters ist eingetroffen aus Rom — angenommen, er wäre tatsächlich in Rom geschrieben worden und nicht eher unter der Aufsicht von Madame Catherine verfaßt.
Herren vom Hof raunten gleich daneben: Man wird den Eindruck nicht los, daß hinter allem die Königinmutter steckt. Ihre Pläne sind noch dunkel, aber der Sinn wird vielleicht früher aufgehen, als wir denken — und auch furchtbarer. Karl der Neunte hat den Protestanten de la Nou an die Spitze von Truppen gestellt, die den Spaniern die Festung Mons entreißen sollen. De la Noue wird von den Seinen grade die Kriegstüchtigen mitnehmen, und dem Admiral in Paris werden sie fehlen. Es geht Undurchsichtiges vor. Man darf nichts verraten. Auch nichts wissen. Die Hochzeitsfestlichkeiten sollen großartig werden.
Hierüber waren die Damen sich ebenso einig — aber sowohl den Damen als den Herren aller vertretenen Stände verschlug es die Rede, da sie bemerkten, was dort hinten im Chor der Kirche vorging. Anstatt an der Messe teilzunehmen, entfernte sich der König von Navarra, ließ seine junge Königin stehen und suchte eine Hintertür, mit ihm seine protestantischen Herren. Obwohl es zu erwarten gewesen war, erregte es Skandal. Jeder weiß, daß beim ersten Wort der Messe der Teufel den Schwanz einklemmt, aber könnte er nicht den Anstand wahren und dableiben? Nur gut, daß man sich alle einzeln gemerkt hat. Diese Herausforderungen werden nicht mehr lange dauern.