Henri kehrte hintenherum in den Bischofspalast zurück. Mit ihm waren nur Herren von der Religion, auch solche, die er lange nicht gesehn hatte, aber an diesem großen Tag umgaben sie ihn. Eingefunden hatte sich sein alter Erzieher Beauvois, einst ein so listiger Helfer Henris im Collegium Navarra, als der Knabe kämpfen mußte, um nicht zur Messe zu gehn.

«Beauvois», sagte Henri, geräuschvoll vor Glück. «Ist es vorwärtsgegangen mit uns beiden? Jetzt bewohnen Sie ein hübsches Haus in Paris, ich führe die Prinzessin heim, und von der Messe spricht kein Mensch mehr.»

Der dicke alte Mann erwiderte: «Sire, ich bin bequem geworden und reise nicht gern. So verbringe ich meine letzten Tage in einem strengverschlossenen Haus, auf dessen Tür die Leute mir unfreundliche Namen malen.»

Er blinzelte. Gern hätte er seinen Zögling an vieles erinnert, was in der Stimmung des Sieges vergessen war und nicht hineinpaßte. Mehrere riefen nach Wein. Henri war berauscht genug vom Gedanken an Margot. Man ist ungeduldig, man glaubt es zu sein, und dennoch fliegt die Zeit mit Schwingen des Glücks, der alte Chronos rollt auf der leichten Kugel Fortunas. Um vier Uhr wurde gemeldet, daß sie in der Kathedrale gleich fertig wären. Der Neuvermählte ging hin und holte seine Frau. Im Beisein des Königs von Frankreich küßte er sie: der Hugenott aus dem Süden die Prinzessin von Valois. Dieser Anblick schloß dennoch manchem den bösen Mund. Der ganze Hof wandelte durch die festliche Galerie zurück in den Bischofspalast, noch immer weideten sich am Gehaben der Vornehmen alle Zuschauer, bestehend aus Volk und ehrbaren Leuten. Gespeist wurde eben dort, am Abend aber spielten die Dinge in dem Schloß Louvre, und dieses erblickte ein Dauertanzvergnügen, unterbrochen durch einen Aufzug silberner Felsen. Den großen Saal entlang, unter dem Gewölbe der zwanzig Kronleuchter, bewegten sich vermittels unsichtbarer Kräfte zehn mächtige Theatermaschinen in Gestalt glänzenden Gesteins, auf deren erster Karl der Neunte selbst saß, und zwar fast nackt als Gott Neptun, denn er zeigte gern seine Körperbildung. Ihm folgten seine beiden Brüder sowie andere Götter und Meerungeheuer, die alle verkleidete Edelleute waren. Die Maschinen polterten, und der leinene Überzug der Felsen warf Falten. Dennoch mußte man staunen über soviel Kunst, besonders da Musiker französische Verse dazu sangen, und diese stammten von ausgezeichneten Dichtern.

Bis zum Nachtessen wurde es spät, und als man sich bei Tisch niederließ, hatten schon einige Paare verabredet, zu heiraten nach dem Vorbild des Königs von Navarra, der wohl nicht die Messe, aber um so mehr die Prinzessin liebte. Die schönen Edelfräulein der alten Königin eroberten heute Hugenotten, so viele sie mochten. Sie hatten es leicht mit Agrippa d’Aubigné, der entflammten Gemütes jeder versprach, was sie wollte. Du Bartas war im Geiste abgeneigt, nur sein Fleisch gab nach. Der dritte Freund des Neuvermählten, Philipp Du Plessis-Mornay, hatte die Gedanken anderswo. Er war von einer Natur, die, umgeben von einer Orgie, abwesend und übertrieben rein bleibt. Grade damit aber geht er bis zum äußersten: die anderen im Laster, er in der Tugend. Das sokratische Gesicht zornig verklärt, rief er in die Orgie: «Kinder, die wir sind, möchten wir den Stand tauschen mit einem Gauch, der den König in der Tragödie spielt! Schleppt das goldene Tuch auf ein Gerüst, und zwei Stunden danach muß er es dem Trödler zurückbringen mit dem Leihgeld. Daran denken wir nicht, wieviel zerfetzte Lumpen, Geziefer und Grand er darunter versteckt, wie oft er als Majestät sich kratzen muß, und wenn er prahlt, wie oft es ihn juckt!»

Töne des Aufruhrs — fragte sich nur, wer sie hörte. Der nächste Bruder Karls des Neunten und sein Nachfolger, wenn er eines Tages verblutete: d’Anjou selbst war es, der Philipp hocherfreut auf die Schulter schlug. «Der bewußte Gauch ist mein Bruder», sagte er ihm ins Ohr. «Vor mir brauchen Sie kein Geheimnis aus Ihrer Meinung zu machen, denn ich teile sie. Ich neige zu euch Protestanten wegen eurer Offenheit, die eine Menge Gottvertrauen voraussetzt.»

Die Annäherung des Prinzen von Geblüt an den unansehnlichen Soldaten von der Religion wurde nachgeahmt: oder war sie selbst nur eine einzelne unter all den anderen Verbrüderungen? Katholiken und Protestanten lagen einander in den Armen, so Herr de Léran in denen des Hauptmanns de Nançay. Der junge de Levis, Vicomte de Léran, war unter den Seinen der Page, so schön, schlank und beweglich. Der kräftige de Nançay preßte ihn an sich, er hätte ihm wohl den Brustkorb eingedrückt vor Liebe; statt dessen entglitt ihm der Junge wie Öl, plötzlich hatte er den Dicken ins Ohr gebissen.

Kurzer Zweifel, was kommen würde, dann aber das herzlichste Gelächter. So war diese Nacht.

Sie trug das Gesicht der Dame Venus: wenige Mißtrauische wie Du Bartas erkannten es noch unverhüllt. Dennoch entging auch ihnen, daß alles nur das Werk von Madame Catherine war. Sie selbst hatte ihr fliegendes Korps ausgeschickt mit ihren Befehlen, und ihre Ehrenfräulein machten, was sonst niemand konnte, daß kein Unterschied mehr bestand durch den Glauben. Gott hatte dies Geschlecht noch niemals vermißt: so unternahm es heute nacht, auf ihre Art, Dame Venus. Diese nun ist unter den heidnischen Herrschaften, so könnte man einerseits sagen, am meisten ohne Trug und Arglist, und was sie verspricht, das hält sie unverweilt. An diesem Hof jedenfalls, der nach den Absichten von Madame Catherine eingerichtet war, wurden Verlöbnisse sofort eingelöst. Daher befand sich immer ein Teil der Gesellschaft auf den Zimmern der Ehrenfräulein, und zwar in einem Durcheinander des Genusses, bei offenen Türen, während die Neuhinzukommenden nach Platz suchten und, wer bei der Arbeit war, von den anderen ermuntert wurde in Tönen eifersüchtigen Mitgefühls. Nachher kehrten sie zum Tanz zurück.

Zuweilen war der große Saal nicht einmal zur Hälfte gefüllt, und die Musik auf ihrer Empore lärmte in einem kahlen Widerhall. Er blieben die Trinker, es blieben die Philosophen. Über Margot zärtlich geneigt, blieb Henri.

Sie saßen unter einem Zelt bunter Fahnen, die Fahnen der Provinzen des Königreichs, die Fahnen aus vergangenen Schlachten und aus der fernen Welt. Sie aber waren mit sich ganz allein. Henri sagte ihr, daß er sie immer, immer sie geliebt habe. Margot antwortete für sich und ihr Herz, und es war dasselbe. Sie glaubte ihm auch, und er ihr, obwohl beide es anders wußten. Darum fühlten sie doch: jetzt ist es wahr geworden. Dieser ist mein einziger Geliebter. Ich habe keine gekannt außer dieser, mit ihr beginnt mein Leben! Er ist mein Frühling, ich wäre bald alt geworden ohne ihn!

«Henri! Deine Gestalt ist genau von den Maßen, die den Vorschriften der Antike entsprechen. Du verdienst, bei meiner Ehre, dafür belohnt zu werden.»

«Margot! Ich bin voll Freude bereit, die Belohnung mit dir zu teilen: sooft du es willst und aushältst.»

«Der Beweis duldet keinen Aufschub», sagte ihre klangvolle Stimme und ihr edles Gesicht, da war er schon von seinen Knien aufgesprungen — und sie gingen den Weg, den auch die anderen gegangen waren. Das ist wohl der Weg des Fleisches, aber einiges Fleisch begeistert sich. Aus dem großen Saal hinausgelangt, trug Henri sie. Er trug vor sich her Margot; Soldaten machten Front und stampften mit aller Kraft auf den Boden. Betrunkene, die umgefallen waren, versuchten ihnen nachzusehen.

Das leidenschaftliche Vorhaben wurde erschwert durch das Brautkleid; es stand viereckig um die Hüften, Margot war darin eingesperrt wie in einen Kasten. Hier bewies der jugendliche Liebhaber sowohl Umsicht als Kenntnisse. Ohne die schimmernde Schale rauh anzufassen, hatte er sie in einem Augenblick geöffnet. ‹Kein Vergleich›, konnte Margot grade noch denken, ‹mit dem Guise, der doch größer und von außen mehr wie ein Edelmann ist!› Da war die Schale geöffnet, die Perle enthüllt. Anstatt sich erst lange darzubieten in ihrer Kostbarkeit, befahl sie den Knien ein wenig nachzugeben, schien hinzusinken, ließ sich auffangen und dann niederwerfen, wo sie es gewollt hatte, auf ihr berühmtes Bett aus schwarzer Seide. ‹Der liebt die Frauen, um so weniger kennt er sie! Den behalte ich›, wollte Margot zuletzt feststellen: schon verging ihr Hören und Sehen, zum großen Vorteil der übrigen Sinne.