Getrennte Tafeln waren aufgestellt in den Sälen des oberen Geschosses, für die Könige eine im Paradesaal, und mehrere im Vorzimmer für ihre Herren. Die schönen Fräulein aus dem Gefolge der Prinzessinnen waren verschwunden; das wurde kaum beachtet, solange man noch nicht gegessen hatte. Erst später, als eine erhöhte Stimmung herrschte, sollten sie zahlreich wiederkommen.

Der König von Navarra goß ein Glas voll Wein in den Teller mit Suppe aus: es befremdete den König von Frankreich und die Prinzessin von Valois. Hierauf aß er schnell und viel, an Gesprächen lag ihm nichts während dieser Tätigkeit. Er hätte nur gewünscht, er könnte hören, was sie draußen redeten, seine eigenen Leute mit denen vom Hof. Die Musik spielte zu laut.

Ein Herr de Maurevert, draußen im anderen Saal, erwies ganz besondere Ehrfurcht dem abgetragenen Koller seines Nachbarn, es war der lange Du Bartas. Achtungsvoll erkundigte sich der Hofmann, wie viele Feldzüge das aufgerauhte Kleidungsstück schon überstanden habe. Der Protestant, weder an Ironie noch an leere Höflichkeiten gewöhnt, benutzte den Anlaß sogleich, um tief und düster zu werden.

«Wir sind viel zu Pferd gesessen. Aber wenn der Mensch selbst um das Erdrund ritte, er reitet dem Tode entgegen. Wir beide reiten nicht zusammen, Maurevert, aber wir werden zusammen tot sein.» Hierauf trank er und nötigte auch den andern, auszutrinken.

Du Plessis-Mornay brauchte keinen Wein, damit seinem Gegenüber, de Nançay, der Kopf schwoll. «Wir hätten Paris erobern können», rief Mornay. «Wir sind aber so gut und heiraten es.»

Der Hauptmann de Nançay vergaß sich, er legte die Hand an den Degen, wurde aber aufgehalten von den Herren de Miossens und d’Aubigné.

«Und wenn Sie mich erstochen hätten», rief Mornay über den Tisch, «meine Religion ist die wahre!» Worauf er erst anfing, gründlich zu essen. Denn Mornay in seiner hitzigen Unerschrockenheit war dennoch der, dessen Opfer vom Herrn nicht angenommen wird. Er war die Tugend, die Glück hat; das sah ihm jeder an, wenn sein sokratisches Gesicht aufblühte und sich erschloß in dem Genuß der Tafelfreuden. Der Erste Edelmann de Miossens wies zu seiner eigenen Entschuldigung auf den tafelnden Glaubenshelden, als Agrippa d’Aubigné ihn zur Rede stellte für seine Lauheit und Doppelseitigkeit. «Über unseren Köpfen hängt schwer die Herrschaft der Ungerechten, und es richten uns die Feinde Gottes. Sie aber, einer der Unseren, dienen ihnen, Miossens. Kann man denn mit seinem Gewissen einen Vertrag schließen?» fragte der Dichter über den wütenden de Nançay hinweg, der nicht zuhörte. Der Erste Edelmann zuckte nur die Achseln. Er durfte vor unberufenen Ohren nicht aussprechen, wie ihm zumute war. Ein Protestant, aber Erster Edelmann des katholischen Königs, nützte er seinen Glaubensgenossen bei Hof, soviel er konnte. Er hatte es nicht anders erwartet, als daß sie ihn angreifen würden.

Agrippa drückte seine Meinung klar aus. «Es gibt einige, die verraten Gott und verkaufen uns. Wir verlieren Hab und Gut und sogar Gewissensfreiheit. Was uns bleibt, ist unsere vollkommene Einheit mit Christus und den Engeln. Das aber allein heißt Freude, Freiheit, das Leben und die Ehre!»

Dies war sogar für den beherrschten Hofmann zuviel. Was bewegte ihn mehr, die Beschuldigung des Verrates oder der himmlische Triumph, dessen Agrippa sich rühmte? De Miossens tauschte den Stuhl mit de Nançay und setzte sich neben Agrippa.

«Die Hugenotten können nichts weiter als predigen», schnob der wütende de Nançay gegen einen Herrn de Maurevert. Der erwiderte: «Sachte, sachte! Sie können auch bluten.» Er hatte eine Nase, die spitz in die Luft stand, und die Augen eng beieinander.

In dieser Ecke saßen nur noch Herren vom Hof. Die vermischten Reihen hatten sich im Laufe des Banketts von selbst neu geordnet zu zwei Lagern. Am unteren Ende des Tisches hielten die von der Religion zusammen. Ein leerer Raum war entstanden zwischen ihnen und den Katholiken. De Miossens sah sich auf einmal mitten unter seinen alten Freunden, aber getrennt von seinen neuen. Er erblaßte, dann siegte sein Ehrgefühl; er blieb und sprach: «Wer lange hier ist, wird wankend und zweifelt endlich, daß nur wir allein vor Gott gerecht sind. Seien Sie froh», sagte er schnell, damit Agrippa ihn nicht unterbrach, «Ihnen wird es nicht zustoßen, aber vielleicht Ihrem jungen König, der mir ganz so aussieht, als liebte er das Leben anders, denn als die Einheit mit Christus und den Engeln.»

«Wir sollen den Tod nicht fürchten.» Agrippa ließ sich dies Wort nicht nehmen. «Er ist unsere Zuflucht aus Stürmen — und kämen wir durch Flammen um, sie flögen uns voran zu dem ersehnten Thron des Ewigen!»

Das war schön — aber es kam keineswegs aus der Lust zu sterben, sondern vielmehr aus der tiefen Gewißheit Agrippas, noch sehr lange zu leben. Grade dessen war der stille Miossens nicht sicher. Er blickte Agrippa so lange ernst an, bis der andere merkte, daß dies kein Tischgespräch, auch kein erbauliches, mehr war.

«Was würden Sie sagen, d’Aubigné, wenn die Flammen, die uns voranfliegen sollen zur Ewigkeit, nicht in zwanzig Jahren ausbrächen, sondern morgen, und nicht an einem unbekannten Punkt der Erde, sondern im Schloß Louvre?»

Niemand unterbrach ihn mehr; er konnte still weitersprechen im Geschrei, im Lärmen der Zimbeln und Rasseln der Becher.

«Ich weiß zuviel. Tatsachen sind schwerer zu tragen als der Glaube. Hier ist man fast entschlossen, aber noch nicht ganz. Wozu? Das verrat ich nicht einmal meiner Seele. Auf jeden Fall muß zuerst die Hochzeit sein. Euer König und unsere Prinzessin sind so reizende junge Leute, der Anblick ihres Gefühls sollte auch Bösewichter zur Besinnung bringen. Sagt euren Leuten, sie dürfen niemand mehr herausfordern, weder den Hof noch das Volk. Es ist am Letzten, ist die letzte Stunde. Sonst fliegen bald einige von uns zu dem ersehnten Thron des Ewigen.»

Er stand auf und beendete in gebückter Haltung. «Ich hätte beinahe zuviel gesagt.»

Er war nur an den Schläfen angegraut; seine Schultern aber wölbten sich tiefer, als erlaubt schien bei seinen Jahren, während er jetzt zurückkehrte zu den Herren des Königs von Frankreich, dessen Erster Edelmann er war. Empfangen wurde er von einem Herrn de Maurevert, spitze Nase, eng beieinanderliegende Augen, der ihn bohrend ansah, bevor er äußerte: «Haben Sie nun doch, Miossens, zu den Hugenotten gefunden und haben auch schon zuviel gesagt!»

Hierbei standen die beiden Herren, ja, sie standen aufrecht im vollen Licht vor dem kleinen Gang, der das Vorzimmer verband mit dem Paradezimmer. Dort tafelte das Gefolge, hier die Könige, und Henri saß an der Stelle genau gegenüber dem kleinen Gang: so sah er die beiden. Er erblickte de Miossens halb seitwärts, das graue Haar und die gewölbten Schultern, den anderen aber mit ganzem Gesicht, und es stimmte ihn nachdenklich. Er brach sogar ab, mitten in dem Wort, das er an den König von Frankreich richtete. Infolgedessen folgte Karl dem Blick, und als er bemerkt hatte, wer gemeint war, zog er die Brauen zusammen.

«Vetter Henri», sagte er schnell, «Sie haben an Ihrer Seite etwas Schöneres, als Sie dort drüben sehen können.»

Das war die Wahrheit selbst, denn neben Henri saß Margot, und wäre auch nicht ihr reizender Anblick gewesen, sie bezauberte ihn mit einer dunklen, gleichmäßigen Stimme, die gelehrte, dabei aber anzügliche Dinge sprach. Sie und Henri waren einander gewachsen im einen wie im anderen, und was der Form nach klassisch hingeredet wurde zwischen ihnen, eine Dame, stolz und gepflegt wie diese, hätte es ohne Selbstüberwindung kaum über ihre Rosenlippen bringen sollen: doch ging es ganz glatt. Es geschah sogar vernehmlich genug, daß manchmal ein Tischgenosse mitreden und den Sinn unterstreichen konnte. Viel Dreistigkeit und Anmut zeigte Madame Charlotte de Sauves, kecke Nase, witzige Augen unter gewölbten, schmalen Brauen, die Stirn zu hoch, die Glieder zerbrechlich: aber das letzte war nur Schein. Ihr Wesen verhieß, daß sie sehr viel aushielt in der Liebe, und hierüber hatten sie und Henri sich auch schon verständigt mit und ohne Worte.

Oh! Er liebte Marguerite von Valois. Beim Klang ihrer Stimme, die dunkel und, solange sie wollte, ein wenig langsam war, stieg aus der Mitte seines Körpers die Bewegung auf, ergriff die Brust, den Hals und näßte die Augen. Er sah den Gegenstand seines Gefühls oft nur durch einen Schleier, wie das Glück, das bis jetzt noch im Zustand der Verheißung ist. Mehrmals war er nahe daran, von seinem Sitz herunter und vor sie hin auf die Knie zu gleiten: es wäre eine große Erleichterung seines Gefühls gewesen. Ihn hinderte dennoch die Menschenscheu. Denn Karl der Neunte war betrunken und verfiel darauf, «den seiner dikken Margot» aufzuziehen, während seine Brüder d’Anjou und d’Alençon infolge des langen Tafelns miteinander in Streit gerieten. Henri fing an, dem König von Frankreich lebhafte Antworten zu geben. Sein Vetter Condé stieß ihn im Rücken an und warnte ihn. Übrigens artete jetzt die Meinungsverschiedenheit der beiden königlichen Prinzen in Tätlichkeiten aus: sie mußten getrennt werden.

D’Anjou blutete im Gesicht, er zog sich zurück auf die andere Seite des Tisches und sagte zum Vetter Navarra: «Du wenigstens warst ein ehrlicher Gegner in unseren Schlachten, und ich habe dich meistens besiegt.»

«Das kam nur von deinen Briefen, d’Anjou. Sie hatten eine Sprache, gestelzt, wie von einem Spanier. Ich bin vor deinem Stil ausgerissen. Vielmehr, Fieber bekam ich davon und konnte nicht kämpfen. Wenn du mich aber wirklich besiegt hättest, dann säße ich nicht hier neben deiner Schwester.»

Darauf wurde der andere gedämpfter und sogar ängstlich, obwohl noch immer der Wein aus ihm redete. «Navarra, sieh, meine Wangen bluten. Aber das ist nichts. Mein Bruder d’Alençon haßt mich nur wie jemand, der erst viel später darankommt. Schrecklicher ist es, wie mein königlicher Bruder mich, seinen nächsten Nachfolger, haßt. Unsere Mutter möchte mich auf dem Thron sehen, und Karl weiß, daß es gefährlich ist, ihr im Wege zu stehn. Die Furcht macht ihn rasend. Trink mit mir, Navarra! Wir haben ehrlich gegeneinander das Schwert geführt; dir vertraue ich Familiengeheimnisse an. Als ich gestern zu meinem königlichen Bruder ins Zimmer trete, rennt er darin umher wie ein wildes Tier und in der Hand den blanken Dolch. Er sieht mich schräg an, du weißt wie. Um mich ist es geschehn, alle Heiligen sind sich darüber klar. Kaum kehrte er mir wieder den Rücken, bin ich aus der Tür, leise wie eine Maus, und meine Verbeugung beim Abgang war weniger tief, als wie ich eintrat, das kannst du glauben.»

«Alles glaube ich», sagte Henri und schloß mit ein die Vergiftung seiner Mutter.

Er sagte noch: «Ihr seid eine Familie, vor deren Reizen man sich hüten muß. Ich habe es nicht gekonnt.» Hiermit wendete er sich um, das Herz schlug ihm plötzlich bis in den Hals, so sehr blendete ihn dies Gesicht — und gehörte doch der Tochter eines finsteren Hauses.

Übrigens hatte sie fortgefahren, sich anzüglich und gelehrt zu unterhalten, gleichviel mit wem. Ihm wurde heiß, schon wollte er Condé und d’Alençon zur Rede stellen: da bemerkte er auf ihrem Kleid die Farben seines Hauses. Mit ihrer Freundin hatte sie sich verabredet, an ihren Röcken, nicht sehr auffällig, Stickereien in den Farben seines Hauses zu tragen: blauweißrot. ‹Das Haus Bourbon, sie hat daran gedacht, hat mir schon längst entgegengesehn wie ich ihr, trägt meine Farben, und als sie sich weigerte, mich zu heiraten, war es in Wahrheit ein Kunstgriff, damit ich sie noch mehr lieben sollte. Denn mich liebt Margot!›

Diese Gewißheit brachte ihn außer sich, er verlangte: «Kommen Sie!» und wollte sie fortführen, um mit ihr allein zu sein. Sie stellte sich, als hätte sie nichts gehört. Seine Schwester Catherine aber beugte sich zu ihm und sagte: «Denke daran, daß wir im Louvre sind!»

Sofort bedachte er es auch — sah schnell um sich: ‹Das Paradezimmer, die geschnitzte Decke so reich an Gold, daß alle sich ausdrücken: das goldene Zimmer. Es hat Fenster auf zwei Seiten. Von Süden und der Flußlandschaft her greift schon die weite Dämmerung herein, violett und grau: so lange sitzen wir bei Tafel. Dagegen entsendet das westliche Fenster den Goldstrahl des gesenkten Tages in das goldene Zimmer, er sprüht und funkelt um einen betrunkenen König und um den verliebten, der ich bin. Achtung auf Kathrin! Meine Schwester zeigt mir ihr kleines vernünftiges Gesicht; von unserer lieben Mutter ist es nicht, aber doch spricht es zu mir, wie nur das ihre sprach. Hast recht, Schwester, dies ist das Schloß Louvre, darin haben wir keinen Freund und sind zu zweit allein.›

Marguerite von Valois beschenkte ihn aufs neue mit ihrer Stimme und hätte wieder sein Herz ergriffen, gleichgültig, ob ihre Rede züchtig war. Leider wurde es ihm auf einmal unmöglich, den Streit im Vorzimmer zu überhören. Sie schrien und drohten schon längst dort draußen, übertönten die Zimbeln und Pauken, und immer konnte die Schlacht beginnen. Henri erfaßte es auf einmal; Marguerite von Valois schloß ihn nicht mehr dagegen ab, weder ihre Stimme noch ihr blendendes Gesicht oder ihr starker Duft. Das alles empfing plötzlich den Sinn der Versuchung und des Scheins — indessen draußen die Wirklichkeit nach ihm rief, damit er seine Pflicht täte. Seine Mutter war vergiftet worden: o Gedanke, bei dem das Herz stillsteht! Aber hinter seinen Schultern und jenseits der Wand des goldenen Zimmers begannen bald die Gemächer ihrer Mörderin. In der Mitte zwischen der, die drinnen lauerte, und den Feinden draußen, die sogleich über die Seinen herfallen konnten, liebte er: liebte Marguerite von Valois, und die alte Königin sah durch ein Loch in der Wand.

‹Schwester, blick du nur klar und ernst! Bewahr ich mich doch selbst von Grund auf vernünftig, obwohl verwickelt in die Sache von Betrunkenen und Mördern. Es ist wahr: unsere Lage vermag gar nichts gegen meine Leidenschaft für Madame Marguerite, die edel anzusehen bleibt wie ihr Bild, und was sie innen sinnt, erfahr ich später in ihren Armen oder auch dann nicht! Weißt du, Schwester, daß ich diesen Hof nicht verlassen will? Um Margots willen lieb ich auch ihn, samt aller Kühnheit und Gefahr. Unsere Mutter nannte ihn verderbt, noch mehr als sie gedacht hätte, und sie wünschte, daß ich mit meiner Frau fern von hier und in ländlichem Frieden lebe. Das soll nicht sein, wie ich wohl fühle. Die Frauen fordern an diesem Hof die Männer auf, sagte die Königin Jeanne. Wirklich hat Charlotte de Sauves keine Zeit verloren, und warum sollte ich mich kalt stellen. Dennoch gäbe ich mein Leben nur für Madame Marguerite von Valois. Schwester! Willst du mich noch einmal an unsere Mutter erinnern? Mir steht das Herz still.›

Als hätte er dies ausgesprochen, beugte Catherine von Bourbon sich wahrhaftig zu ihrem Bruder und sagte: «Denk, an unsere Mutter!»

Der Achtzehnjährige, den alle Stürme des Lebens auf einmal schüttelten, erwiderte trotzdem in tiefem Einverständnis: «Ich denke an sie.»

Indessen kehrte sein Vetter Condé aus dem Vorzimmer zurück: «Ich habe in deinem Namen die Unseren fortgeschickt», erklärte er. Henri sprang auf.

«Das darfst du nicht! Das Feld soll uns doch bleiben!»

«Dann befiehl ihnen, daß sie die Herren vom Hof erschlagen, ohne einen einzigen zu vergessen. Befehl es sogleich, noch ist Zeit.»

Stampfende Schritte waren zu hören: die Abziehenden — aber sie drohten laut, kehrten um und pflanzten sich zuerst noch breitbeinig auf, wenn sie schon weichen sollten auf das Geheiß ihres Herrn.

Condé wurde von Wut erfaßt. «Mir soll’s recht sein: ein Gemetzel, ich mach es mit! Nun? Du sprichst?»

Henri schwieg. Ihm war durchaus bewußt, was der andere in seinem Anfall vergaß: sie hätten damit anfangen müssen, Karl den Neunten und seine Brüder zu ermorden. Sie durften im Louvre keinen übriglassen, der sich nicht ergab, und dann kam Paris dran. Welch ein schauriger Wahnsinn: das goldene Zimmer war es, das ihn ausbrütete, aber noch eher tat es die alte Mörderin hinter dem Loch in der Wand! Karl der Neunte sah stumpf drein wie ein Tier. Seine Brüder standen in der Tür und hetzten die Streitenden noch. Henri drängte zwischen ihnen hindurch, erschien im Vorzimmer und rief die Seinen an. Einen Augenblick schwankte die Stimmung, bis genug von ihnen sich besonnen hatten. Sie hielten ihr Wort auf, so heftig es heraus wollte, und zogen ab, drüben durch den großen Festsaal, worin es dunkelte: dort verstummten sie ganz.

Allerdings trafen auch schon Diener mit Fackeln ein und hinter ihnen schöne Fräulein: nicht mehr nur die wenigen, die vorher im Garten aufgetreten waren, nein, gleich ein Regiment. Selbst das umfaßte noch nicht die Gesamtheit der Ehrendamen, über die Madame Catherine verfügte wie über leichte Truppen. Schnell warfen diese sich auf jede bedrohte Stelle, und auch die wilden Hugenotten wollten sie wohl zähmen. Zündet Kerzen an, Diener! Vier Reihen von je fünf Kronleuchtern, denn die Mädchen sind grade für dieses Licht geschminkt. Die Banditen, die man Hugenotten nennt, werden ihnen alles verraten, was sie denken oder vorhaben, und pünktlich erfährt es Madame Catherine.

«Vorsicht!» sagte Henri scharf zu Agrippa d’Aubigné, der es weitergab.

«Gut Freund, meine Herren!» rief der König von Navarra, auf einmal ganz Leichtsinn und Heiterkeit, den Hofleuten zu, denn sie hielten das Vorzimmer besetzt, als erwarteten sie Angriffe. «In Gegenwart der Damen werden meine rauhen Koller so glatt wie Seide.» Dies betonte er, als ob er sich lustig machte über seine eigenen Getreuen — und damit gefiel er denen vom Hof so sehr, daß ein Herr de Maurevert ihm die Hand küßte. Henri zog sie keineswegs vorzeitig zurück, obwohl es ihn kalt überlief.

Als er zurückkehrte, wurde Karl der Neunte soeben fortgetragen von Dienern in sein Schlafzimmer, das vorderste der königlichen Wohngemächer. In dem letzten von ihnen hatte Henri mit der alten Katharina darüber verhandelt, ob seine Mutter von ihr vergiftet wäre. Dorthin war Madame Marguerite verschwunden: wen konnte es wundern, die Tochter Katharinas! Auch ihre Brüder und die Dame de Sauves hatten sich davongemacht. Neben der ziemlich verwüsteten Tafel und dem umgestürzten Stuhl des Königs warteten auf Henri nur noch seine Schwester und sein Vetter.

Sie sah den Bruder an, sie schwieg, bis die Tür geschlossen worden war. Auch dann flüsterte sie nur. Er dachte nach, sagte gar nichts, bewegte aber schnell die Augenlider. Darauf nahm sie den Arm des Vetters. Beide gingen vor Henri her, in das Vorzimmer, nach dem Winkel rechts und dann die verborgene kleine Treppe hinab in den Hof.